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"Späte Sühne" von Viktor Arnar Ingólfsson
Blinde Leidenschaft
"Der Archäologe Breck Parkman untersucht nahe San Francisco die Überreste einer einstigen Hippiekommune, die 1969 abbrannte. Was er dort findet? Bierdosen, Schallplatten, Geschirr und andere Alltagsgegenstände." (Notiz aus der Süddeutschen Zeitung)
Ein Merkmal, welches Viktor Arnar Ingólfssons Kriminalromane zu einem erfreulichen Leseerlebnis macht, ist seine Liebe zum Detail, welches er beim Schreiben an den Tag legt. Das ist natürlich eine Qualität, die man von guter Literatur erwarten kann, aber was mich an Ingólfssons Schreiben reizt, ist seine Fähigkeit, ungewöhnliche Details heraufzubeschwören. Sozusagen das Kleinste im Kleinen zu beschreiben. Besonders sieht man diese Qualität, wenn Ingólfsson sich mit der Vergangenheit befasst und es ist genau in diesen Kapiteln, in dem sein Stil wirklich zu sich selbst findet. Seine Inszenierung sich vollkommen öffnet, von der Gesamtbetrachtung bis zum aller kleinsten Detail. Und solche Details sorgen dafür, dass die Geschichte den Leser noch lange nach dem Beenden des Buches verfolgt.
Zur Handlung des Buches. Im Büro des isländischen Botschafters in Berlin sitzt ein feister, pädophiler Großindustrieller. Seine Eingeweide hängen heraus und ein rasiermesserscharfes Jagdmesser steckt in seinem Magen. Er ist tot. Am vorangegangenen Abend war er der Gast des Botschafters zusammen mit sechs anderen isländischen Männern und der Frau des Botschafters. Wer wollte diesen zwielichtigen Mann aus dem Weg haben? Und wie gelang es dem Täter mit dem Messer durch die scharfen Sicherheitseinrichtungen der Gebäude der nordischen Botschaften zu schlüpfen? Birkir Li Hinriksson, Gunnar Maríuson und Anna Ðorðardóttir werden nach Berlin gesandt, um die Mordermittlungen aufzunehmen. Die Ermittlungen liegen im Zuständigkeitsbereich der isländischen Behörden, denn die Botschaft ist exterritoriales Gebiet. Es entwickelt sich ein klassischer Whodunit mit allen seinen Merkmalen: ein überschaubarer Tatort, sehr wenig beteiligte Personen, die aber alle ein Motiv zu haben scheinen. Trotzdem stellt sich der Fall als sehr schwierig heraus, weil keine klaren Beweise gefunden werden. Nach drei Tagen kehrt das Ermittlerteam nach Reykjavik zurück, da unterdessen alle Gäste der unerwarteten Party sich ebenfalls wieder auf Island befinden. Die Beamten versuchen, alle Gäste aufzufinden, um Informationen darüber zu erhalten, was in der Mordnacht wirklich in der Botschaft geschehen ist. Es wird noch verwickelter, als der stellvertretende Botschafter nach seiner Rückkehr von Berlin nach Island spurlos verschwindet. Und dann geschieht ein weiterer Mord. Die Beamten finden heraus, dass einige der Gäste gemeinsame Wurzeln in einer Hippiekommune haben, die 1975 niedergebrannt ist. In den Flammen starb eine Bewohnerin, Sunna, eine hoffnungsvolle Musikerin. Der Mordfall scheint auf irgendeine Art und Weise mit diesem Fall verbunden zu sein.
In diesem Buch treffen wir auf das gleiche Personal, welches schon im Buch "Tod im Morgengrauen" ermittelt hat. Die beiden grundverschiedenen Ermittler, Gunnar, der deutsch stämmige Genußmensch und Birkir, der vietnamesisch isländische Asket, versuchen jeweils auf ihre Art den Fall zu lösen.
In seinem Kriminalroman verbindet Viktor Arnar den traditionellen Kriminalroman mit dem "Mystery"-Format, das die Leser von Agatha Christie und anderen Kriminalschriftstellern kennen. Dem Leser wird eine bestimmte Gruppe von Verdächtigten vorgestellt, und die Rolle der Kriminalpolizei ist es, herauszufinden, wer das Verbrechen verübt hat. Je weiter die Geschichte voranschreitet, um so mehr scheint es, dass jeder ein Motiv und auch die Gelegenheit hatte, den Mord zu verüben, gerade wie in den besten Kriminalgeschichten. Der Verdacht fällt auf eine Person nach der anderen. Auf die Polizei wartet eine komplizierte Aufgabe, um den Täter schließlich zu ermitteln - sie müssen sich tief in die Vergangenheit begeben, um die Lösung zu finden.
Viktor Arnar ist einer der Schriftsteller, die auf Island die sogenannte Kriminalroman-Welle angestoßen haben und er demonstriert mit seinem neuen Roman "Späte Sühne" dass er immer noch einer der besten Kriminalschriftsteller auf Island ist. Als Ingólfsson vor ungefähr einem Jahrzehnt mit "Engin spor" als Kriminalschriftsteller zurückkehrte, nachdem er zwanzig Jahre zuvor debütierte, war es offensichtlich, dass er nicht daran interessiert war, "traditionelle" Kriminalromane zu schreiben. Er bevorzugt es, seine Bücher als "Rätselkrimis" einzuordnen. "Afturelding" (Tod im Morgengrauen), der als traditioneller Polizeiroman bezeichnet werden kann, auch durch die Aktionsequenz am Ende, war daher ein wenig anders. In den zwei Kriminalromanen "Das Rätsel von Flatey" und "Haus ohne Spuren" spielt dagegen die Vergangenheit eine große Rolle. Nun kombiniert Ingolfsson zwei Facetten: auf der einen Seite hält er an dem Polizeiroman mit der vertrauten Besetzung fest, während er auf der anderen Seite dem Mordfall eine eigene überraschende Wendung gibt. Wie man es von jeder guten Kriminalgeschichte erwarten kann, gibt es eigentlich zwei Geschichten, zwei Verbrechen geschehen, die geschickt miteinander verflochten sind.
Ich denke, dass "Sólstjakar" (Späte Sühne) in vielerlei Hinsicht besser ist als "Afturelding", vor allem wegen der Hintergrundgeschichte, die sehr wichtig ist für die Handlung. Er schreibt weiter an seinen zentralen Figuren, besonders die zwei Freunde Birkir, dem Vietnamesen und Gunnar. Viktor Anar beschreibt diese auch mit ihren scharfen Gegensätzen. Die Beschreibung von Birkir ist vornehm und weich, ausgerichtet auf seinen ziemlich eigenen und nüchternen Charakter, während Gunnar übertrieben gezeichnet ist, immerwährend am Essen und nunmehr, in diesem Buch, immer in der Klemme sitzend. Im Laufe der Handlung wird Gunnar immer mehr demoliert. Oder wie er es selbst ausdrückt: "Ich brauche nur aus dem Haus zu gehen, und schon passiert mir was." Einer der Höhepunkte ist die herrliche finale Szene, die kurz davor steht, in eine totale Parodie ab zu rutschen, aber doch noch die Kurve bekommt, ehe sie in den Klamauk abstürzt, da Viktor Arnar es schafft, die Parodie rechtzeitig herauszunehmen. Ingólfsson ist bekannt dafür, dass er sein Augenmerk auf Vorgänge und Umgebungen legt, und in "Späte Sühne" enttäuscht er nicht. Er hat offensichtlich ein gutes Auge für Schilderungen von Gegebenheiten, ein Gespür für den Ablauf einer Geschichte und Viktor Arnar verwebt Gegenwart und Vergangenheit zu einer glaubwürdigen Handlung.
Den die Vergangenheit ist nie vorbei.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© Oktober 2010 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Haus ohne Spuren" von Viktor Arnar Ingólfsson
Ich möchte hier nicht noch einmal auf die Veröffentlichungsgeschichte des Buches in Island zurückkommen. Dies kann man in meiner ersten Besprechung des Buches nachlesen. (siehe etwas weiter unten) Es ist aber sicherlich interessant nachzulesen, wie wenig Vertrauen, die isländischen Verleger in diese Gattung der Literatur hatten. Ganz anders nun heutzutage. Jedes Jahr werden es immer mehr isländische Autoren, die Kriminalromane in Island veröffentlichen. Es ist deshalb sehr schön und dem Lübbe Verlag sei Dank gesagt, dass dieser Kriminalroman von Viktor Arnar Ingolfsson "Haus ohne Spuren" nun endlich auch in Deutschland erschienen ist.
Angelegt ist der Roman als ein großes Rätsel im klassischem Stil. Es ist der 18. Januar im Jahre 1973 als ein Mann von mittlerem Alter tot auf dem Boden seines Wohnzimmers in einer großen alten Villa im vornehmen Stadtteil Birkihlíð in Reykjavik gefunden wird. Die Ursache des Todes ist eine tödliche Schußwunde in der Brust. Die Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen. Diese ergeben bald, daß der plötzliche Tod von Jacob Kieler jr., dem Tod seines Vaters sehr ähnlich ist, wenn nicht sogar exakt gleich. Auch dieser wurde mit einer tödlichen Schußwunde gefunden, am gleichen Platz, im gleichen Haus, ungefähr dreißig Jahre früher, im Jahre 1945. Auch dieser Tod wurde von der Polizei untersucht, blieb aber damals unaufgeklärt, da der Mörder nicht ermittelt werden konnte. Und noch etwas Erstaunliches kommt zu Tage: es wurde dieselbe Tatwaffe verwendet.
Schon die Villa ist merkwürdig. Sie gleicht einem Museum. Nichts darin ist seit dem zweiten Weltkrieg verändert worden. Viele Möbel sind sogar noch älter. In diesem Haus wohnte Jacob Kieler junior allein. Eigenbrötlerisch und kontaktarm. Kurz vor seinem Tod kaufte er die Anteile an dem Haus von den anderen Familienmitgliedern auf.
Die zwei Todesfälle scheinen miteinander verbunden zu sein. Nicht nur, da es sich um Vater und Sohn handelt, sondern auch wegen der sich gleichenden Umständen, wie sie zu Tode kamen. In dem Buch werden zwei Geschichten parallel erzählt. Eine spielt zwischen 1910 und 1945 und wird uns erzählt durch die Eintragungen in ein Tagebuch. Die andere beschreibt die Ermittlungen der Polizei, die Verhöre und, wie üblich bei Ingólfsson, befasst er sich sehr ausführlich mit den Polizisten.
Aber befassen wir uns zuerst mit dem Tagebuch. Dieses wurde geschrieben von Jacob Kieler, dem Vater. Er war ein Ingenieur, wie dann später auch sein Sohn, und ein großer Bewunderer von Zügen, träumte er doch von einer Zugstrecke auf Island. Sein Traum war eine Eisenbahnstrecke von Reykjavik nach Akureyri. In dieser Nebengeschichte, eröffnet durch die Tagebücher, welche aus erster Hand die Situation in Europa vor dem 2. Weltkrieg und die Zeit während des Krieges in Island beschreibt, nutzt Viktor Arnar das Potential der Kriminalgeschichte, um mehr als nur eine Kriminalgeschichte zu erzählen. Der zeitliche Hintergrund von "Engin spor" ist teilweise die späte industrielle Revolution in Island und man erfährt einiges über die Industrialisierung Island. Die Tagebücher spielen hierbei eine wichtige Rolle und geben dem Roman eine historische Dimension. Sie treiben aber auch die Erzählung voran und halten den Schlüssel zur Lösung bereit. Sie geben Hinweise, weshalb das Schicksal des Schreibers einen solchen Verlauf genommen hatte. Mit den Tagebüchern des Ingenieurs Jacob Kieler wird auch die technische Entwicklung auf Island in diese Kriminalgeschichte verwoben und schlußendlich ist es "Ingenieurskunst", wenn man so will, die den Schlüssel zur Lösung liefert.
Es gibt eine Menge von aufschlußreichen Beschreibungen in dem Roman über die Planung von Eisenbahnstecken, welche eine faszinierende und spannende Geschichte in der Ge-schichte ist, so seltsam diese auch zu sein scheint. In der Literatur ist ein „Zug“ meistens gleichbedeutend mit „Leben“, und zwei Männer verlieren ihr Leben in dieser Geschichte. Keine „Spuren“ werden auf dem Schauplatz des Verbrechens hinterlassen. Viktor Arnar Ingólfssons Erzählung, ist eine wohl gesponnene Kriminalgeschichte, ebenso klar in der Erzeugung von Atmosphäre, in der Beschreibung der damaligen Zeit sowie in der Entwicklung der Charaktere. Das Polizeiteam ist gut ausgesucht und überzeugend. Ausführlich werden diese eingeführt, ihre persönliche Lebenssituationen, ihr Werdegang, ihre Hoffnungen, Wünsche und Ängste. Unter diesen Polizisten ist auch Jóhann, der in forensischer Wissenschaft ausgebildet ist, ein Beruf, der eine Neuerung für die isländische Polizei zu dieser Zeit darstellt. Der Roman erzählt aber noch weitere Geschichten. Zum einen über das Leben des Bruders von Jacob Kieler senior, Matthías. Dieser, der Musiker ist, hat während der dreißiger Jahre in Deutschland gelebt. Und die Erlebnisse von Matthías Kieler in der Zeit der Naziherrschaft sind nicht unerheblich für die Handlung. Und eine etwas skurrile Geschichte, befasst sich mit der Installation eines deutschen Königs in Island. Die Ermittlung in dem aktuellen Mordfall ist meistens auf einen Ort beschränkt, auf Reykjavik, mehr aber noch auf das Haus in Birkihlíð. Beide Todesfälle sind mit diesem Haus, mit diesem einen Raum verbunden. Wenn auch die Ermittler vor allem in Reykjavik arbeiten, so dehnt sich doch die Familienhistorie bis nach Deutschland, England und Amerika aus.
Viktor Arnar ist sehr erfolgreich in seinem Ziel, den Kriminalroman voran zu bringen; er bringt es fertig, den isländischen Kriminalroman auf eine andere Ebene zu heben, und indem er dies vollbringt, hinterläßt er einen unauslöschlichen Eindruck. "Haus ohne Spuren" bietet was jeder „Whodunit“ bieten sollte: eine unerwartete Wendung am Ende. Es zeigt uns zwei Menschen, die an den äußeren Umständen aber auch an sich selbst gescheitert sind. Und als Bonus, wird uns ein epischer Einblick gewährt, in die Komplikationen eines eigenbrötlerischen und obsessiven Geistes. Und man kann sich der Meinung des Polizisten Jóhann nur anschließen, der meint: "Man wird diese Familie nur schwer vergessen können."
Der Schluß des Buches mag für Leser, die sich mit der Geschichte Islands nicht so gut auskennen (vor allem mit der Geschichte der Vulkanausbrüche) etwas rätselhaft sein. Aber an diesem Morgen des 24. Januar 1973 brach auf der Insel Heimaey ein Vulkan aus, in dessen Folge die Insel evakuiert wurde und ein neuer Vulkan entstand - Eldfell (Feuerberg). Die Naturkatastrophe löste die Tragödie um die Familie Kieler ab.
Viktor Arnar war so freundlich, dem Literaturportal schwedenkrimi.de ein kurzes Interview zu seinem neuen Buch zu gewähren. Gerne haben wir die Gelegenheit ergriffen, um ihm Fragen zu der Geschichte der Eisenbahn auf Island, zu seiner Arbeit an diesem Buch, über Tagebücher und über Obsessionen zu stellen. Das Interview finden Sie hier. Vielen Dank auch an die Übersetzerin Coletta Bürling. Sie hat die Antworten von Viktor Arnar ins Deutsche übersetzt. In diesem Zusammenhang haben wir auch Sie interviewt, das komplette Interview finden Sie hier.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© Juli 2007 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien
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"Bevor
der Morgen graut" von Viktor Arnar Ingólfsson
Nacht ist Nahrung für Furcht
"Niemand weiß, wie meine Realität
aussieht". Dies sagt der wohl erste isländische Serienkiller
in der Literatur und wahrscheinlich auch in der isländischen Gegenwart.
Dieser Killer macht mit der Schrotflinte Jagd auf Jäger, die im
herbstlichen Morgengrauen im Ansitz sind auf Gänse. Unvermittelt
kommen diese Jäger selbst in die Rolle der Jagdbeute, werden von
Jägern zu Gejagten, kommen in eine Situation, die sie nicht beherrschen
können. Verlieren die Kontrolle über die Ereignisse. Sie müssen
den nackten Kampf um ihr Leben aufnehmen. Sie geraten an einen Killer,
der Menschen jagt, weil sein Instinkt ihm befiehlt, zu töten. Wie
die Jäger Gänse, Fische und Rentiere töten. Drei Jäger
werden ermordet und die Kriminalpolizei wird in ein tödliches Katz
und Maus Spiel verwickelt, ein Spiel, in dem der Killer lange Zeit die
besseren Karten hat. Bis zum tödlichen Ende.
Viktor Arnar Ingólfsson beschreibt die Geschehnisse protokollartig.
Die Geschichte beginnt an einem Donnerstag, den 21.September um 6.10
Uhr und endet eine Woche später fast exakt um die gleiche Zeit.
Die Morde geschehen im herbstlichen Morgengrauen und führen uns
über die Insel. Ermittelt wird in Reykjavik und in Akureyri. Ausführlich
werden uns die ermittelten Kriminalbeamten vorgestellt. Unter anderem
der Hauptkommissar Magnús Magnússon, die Beamten Simon,
Dóra und Anna und andere. Und dies erinnert sehr stark an die
Polizeiromane von Ed McBain, und an das 87. Polizeirevier. An Carella,
Meyer und Co.
Jede beteiligte Beamtin und jeder Beamte bekommt sein Kapitel, man erfährt
etwas über ihr jeweiliges Privatleben, bekommt Einblicke in ihre
Lebensläufe, die Vorlieben, Stärken und Schwächen. Zum
Beispiel wird uns Anna Þórðardóttir, vom Erkennungsdienst,
über die Ermittlungen eines bizarren Selbstmordes näher vorgestellt.
Wie Viktor Arnar Ingólfsson sagt, ist der Selbstmord ähnlich
einem Suizid, von dem er gehört hat. Ein Mann, den er kennt, fand
jemanden, der sich auf eine ähnliche Weise in einem Auto erhängt
hat. Nur, so sagt Viktor, hat er versucht, es mehr dramatisch zu schildern.
Weiter erzählt er, daß die Übersetzerin es sehr schwer
hatte, den Aufbau zu verstehen, aber er denkt, daß sie es zum
Schluß doch noch richtig ins Deutsche gebracht haben.
Buchtipp |
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Es werden, wie bei Ed McBain, authentische Polizisten vorgestellt. Keine
Einzelgänger sondern eine Gruppe, die mehr oder weniger harmonisch
funktioniert. Dadurch hat der Leser die Erfahrung des Miterlebens. Nicht
einer trägt die ganzen Ermittlungen, sondern jede einzelne Ermittlung,
ergibt schlußendlich das ganze Bild. Viktor Arnar Ingólfsson
erklärt, daß er vor 20-30 Jahren viele Bücher von Ed
McBain gelesen hat, so wie viele Autoren, die nun Kriminalromane schreiben,
die man dem Genre der "Police procedurals" zuordnen kann.
Aber, so führt er aus, dachte er nicht speziell an die Romane über
das 87.Polizeirevier, als er seinen Roman schrieb. Und meine Frage,
ob es ein Zufall ist, daß die Opfer Jäger also "Hunter"
sind und McBain das Pseudonym von Evan Hunter! ist bejaht er: "Ein
bloßer Zufall".
Zwei Kriminalbeamte sind es aber, welche die Hauptermittlungen
tragen. Es sind einmal Birkir Li Hinriksson, ein Isländer vietnamesischer
Abstammung, mit einer Vorliebe für klassische Musik und Marathon
und Gunnar Mariuson, der eine deutsche Mutter hat, und gerne Bier mit
deutschem Kümmerling trinkt, ein Alkoholproblem hat und seinen
Lebensfrust auslebt, indem er dauernd am Essen ist. Um diese zwei Ermittler
gruppiert sich die Ermittlergruppe, die sich auf die Suche nach dem
Killer macht. Sie tun dies nicht fehlerlos, aber das macht sie nur natürlicher.
Und so stellt Viktor Arnar Ingólfsson ein Personentableau auf,
das es in der isländischen Kriminalliteratur noch nicht gibt. Zwei
Außenseiter, schon von ihrer Abstammung her, die aber sehr gut
miteinander können. Zwar Eigenbrötler, aber sie funktionieren
doch als Team und im Team. Mit einer Prise Ironie und Humor ausgestattet.
Dazu kommt, daß in einigen Abschnitten auch über das Schreiben
von Kriminalromanen reflektiert wird. Über die Rolle des Zufalls
in Kriminalromanen und in der Wirklichkeit zum Beispiel oder auch wie
Kriminalbeamte beschaffen sein sollten (dürfen Kriminalbeamte ein
langweiliges Privatleben haben?). Dies geschieht, indem Ingólfsson
einen Schriftsteller, Emil Edilon, einführt, der seit Jahren an
einem Kriminalroman schreibt. Dieser, ein Freund von Gunnar Mariuson,
hilft den Beamten bei ihren Ermittlungen und beim Bier wird so mancher
Gedanke über den Kriminalroman an sich und die "Realität"
ausgetauscht.
Zwar ist die Lösung des Falles für einen geübten Krimileser
nicht schwer aber Viktor Arnar Ingólfsson versteht es doch geschickt,
falsche Spuren zu legen, die einen zweifeln lassen und man doch überlegt:
"So könnte es auch sein". Bis es zur Konfrontation kommt
und der Leser am Ende alle Verstrickungen entwirren kann. Es ist eine
spannende Geschichte mit, wie bereits gesagt Humor, Ironie (auch ein
wenig Selbstironie) und so bleibt man gerne bis zum Schluß bei
Gunnar Mariuson und Birkir Li Hinriksson und ihren Ermittlungen. Und
wie Viktor Arnar Ingólfsson sagt, hat er mit "Bevor der
Morgen graut" Personen eingeführt, von denen er hofft, sie
wieder einmal verwenden zu können. Was zu wünschen wäre.
Nebenbei sagte Viktor noch, wird bei Lübbe im nächsten Jahr
sein Buch "Engin spor" erscheinen. Dieses, noch vor "Das
Rätsel von Flatey" erschienen ist in Island sehr gut aufgenommen
worden Man darf also gespannt sein.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© Juni 2006 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Das Rätsel
von Flatey" von Viktor Arnar Ingólfsson
Im Frühjahr 1960 jagen drei Männer Seehunde
in der Nähe der Insel Flatey, als sie zufällig einen verwesten
Körper auf einem der unzähligen verlassenen Eilande im Breidafjörður
finden. Etwas ist rätselhaft daran, wie er zu Tode kam, es ist
für sie sehr seltsam, wie der Mann hier gestrandet sein konnte.
Kein Schiffbruch ist geschehen, kein Boot wird gefunden, und kein Mann
aus dem Gebiet wird vermisst. Ein kürzlich bestellter Notar, dessen
einziges Ziel im Leben es ist, ein "Bürohengst" zu werden,
wird zur nahegelegenen Insel Flatey gesandt, um den Fall zu untersuchen
und einen Report darüber zu schreiben, aber er ist sehr gegen diese
Mission. Bald wird ein weiterer Körper auf Flatey gefunden, aber
diesmal ist das Bild eines Adler in den Rücken des Opfers eingeritzt
worden, den sogenannten "Blutadler", in der altertümlichen
Tradition der Wikinger. Doch, da er seine Pflicht erfüllen muß,
und begleitet vom örtlichen Gesetz auf der Insel, und er schnell
herausfindet, dass die Bewohner fasziniert sind vom "Buch von Flatey",
eines der längsten mittelalterlichen Manuskripte, eine Art Lesebuch
oder Sammlung, welche die "Sagen der Könige von Norwegen",
die "Geschichten der Isländer" und die "Sage der
Grönländer" und andere Geschichten enthält. "Das
Buch von Flatey", mit 225 Folioblättern die umfang-reichste
altisländische Handschrift, wurde um 1328-1387 von zwei Schreibern
für einen wohlhabenden nordisländischen Bauern produziert.
Sie enthält vor allem Prosawerke aus den Textgruppen der Isländer-
und Königssagas und gilt als eine Art mittelalterliche Hand-bibliothek.
In zwei der Königssagas wiederum finden sich eine Vielzahl von
kürzeren Erzählungen, die sich um die Herrscher Olaf Tryggvason
und Olaf den Heiligen ranken.
Das Rätsel von Flatey selbst ist ein Puzzle, das mit dem Buch verschmolzen
ist. Die Lösung und der Weg zu dieser Lösung wird in den Fall
mit einbezogen, als sich der Tote, als ein dänischer Professor
herausstellt, der Flatey besuchte, um sich mit der Umgebung dieses großartigen
Buches vertraut zu machen und um zu versuchen, das Rätsel zu lösen.
Er war einer der dänischen Gelehrten, die alles versuchten, um
zu verhindern, daß das mittelalterliche Manuskript von Dänemark
an Island zur Pflege und Konservierung ausgehändigt wird. Die Geschichte
spielt im Jahre 1960 als die Diskussion über dieses Buch am aufgeheizesten
war, und auf diesem Weg vermengt Viktor das Manuskript selbst und ihr
"Fall" in die Geschichte
Wie in "Engin spor" ist die Geschichte in zwei miteinander
verwobenen Teilen erzählt, in denen der zeitgenössische Schauplatz
und Kapitel über das "Das Buch von Flatey" abwechseln,
doch diese Kapitel stellen den Schlüssel des Rätsels bereit.
Sie werden auf eine Art und Weise präsentiert, daß der Leser
weiß, daß zwei Leute an dem Puzzle beteiligt sind, aber
der Leser weiß bis zum Ende nicht, wer diese sind. Zu jeder Zeit
sind die Ereignisse aus den Zitaten vom "Buch aus Flatey"
auf die Ereignisse, die in der Haupthandlung spielen, abgestimmt. Der
Schauplatz ist außerordentlich gut ausgesucht, wie schon in "Engin
spor", und Viktor Arnar beschreibt die kleine Gemeinschaft auf
Flatey so lebhaft, daß der Leser fühlt, daß er "literarisch"
präsent ist. Charaktere, Häuser und das tägliche Leben
des Dorfes, alles ist erfüllt mit einem freundlichen und mühelosen
Gefühl einer Vergangenheit, um aber nie Zuflucht zur Nostalgie
zu nehmen, das so oft historische Dichtung ausmacht, oder das "Zurückschauen"
in vergangene Zeiten. Nutzlos zu sagen, das jede Art von mysteriösen
Ereignissen geschehen, ein anderer Mann wird tot aufgefunden, dieses
Mal auf einem Friedhof, er wurde auf eine eigentümliche Weise verstümmelt,
bekannt aus den Sagen; ein sogenannter Blutadler wurde in seinen Rücken
geschnitten, und diese Form der Verstümmelung ist im "Buch
von Flatey" beschrieben. Auf diesem Weg wird darauf hingedeutet,
daß die Mörder klug und belesen sind, da sie kleine kranke
Kopien einiger Todesarten aus den Sagas übernehmen. Es kommt auch
ans Licht, daß es auf der Insel Menschen gibt, die mit dem Professor
verbunden sind, und wenn die Geschichte alle Arten aufgedeckt hat, wie
die Menschen in diesem Fall miteinander verbunden sind, stellt sich
heraus, auf welche unerwartete Weisen dies der Fall ist. Logischerweise
ist alles so, wie es in einer Detektivgeschichte sein soll. Die Vergangenheit
der Menschen, die in die Geschichte verstrickt sind, wird mit diesem
Fall vermischt, welcher schließlich gelöst wird, so gut es
geht.
Es ist offensichtlich, daß in den zwanzig Jahre, die zwischen
den zwei Romanen von Viktor Arnar und den nächsten zwei (es sind
genau zwanzig Jahre zwischen dem ersten und dem dritten, 1978/1998 und
zwischen dem zweiten und dem vierten, 1982/2002), die Ausarbeitung von
Form und Stil sich konstant verändert hat. Wir müssen hoffen,
dass er uns nicht weitere zwanzig Jahre warten läßt, bis
er seine nächsten zwei Romane veröffentlicht.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© April 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Haus
ohne Spuren" ("Engin spor") von Viktor Arnar Ingólfsson
(1998/1999/ deutsch Mai 2007)
Obwohl die Veröffentlichungsgeschichte von "Engin
spor" nur teilweise bekannt ist, möchte ich sie kurz behandeln.
Victor Arnar hat sein Manuskript an ein paar Verlage verschickt und
hat unterschiedliche Kommentare zurückerhalten, viele davon waren
ihm wohl gewogen, aber niemand war genügend davon überzeugt,
daß Manuskript zu veröffentlichen, so daß er schließlich
den Roman selbst veröffentlichte. Dies geschah 1998, im Jahr bevor
Arnaldur Indriðason seinen ersten Kriminalroman "Synir duftsins"
veröffentlichte. Im gleichen Jahr erschien Stella Blómkvists
(ein/e unbekannte/r Autor/in, der/die unter Pseudonym veröffent-licht)
erster Roman als Paperback, und dann natürlich das jährliche
Werk von Brigitta Halldórsdóttir. Obwohl Arnaldurs und
Stellas Bücher einiges an Leserschaft fanden, waren die Verleger
sehr zögerlich darin, Vertrauen in den Erfolg dieser Romanform
zu setzen. Arnaldur konnte seinen zweiten Roman , "Dauðarósir"
veröffentlichen, aber "Engin spor" erhielt keine Aufnahme
durch die Verleger - bis die selbst veröffentlichte Auflage unter
den Lesern ein Erfolg wurde, zu recht, da es ohne Zweifel der beste
Kriminalroman in diesem Jahr war. (Und tatsächlich, der beste Kriminalroman
zweier Jahre, denn es wurde bis zu "Mýrin" von Arnaldur
Indriðason, der im Jahre 2000 veröffentlicht wurde, kein Kriminalroman
der vergleichbar gewesen wäre mit "Engin spor" veröffentlicht).
Ein Jahr später, wurde er als Paperback im Verlag Mal og menning
wieder veröffentlicht, einer der Verlage, der den Roman ursprünglich
abgelehnt hat. Ohne die Verleger kritisieren zu wollen, zeigt diese
Geschichte, wie erst kürzlich noch die isländische Kriminalliteratur
als nicht beständig bezeichnet wurde, und wie wenig Glauben die
Verleger in den Erfolg der isländischen Krimischreiber hatten.
Aber nun zum Roman selbst:
Ein großes Mordrätsel im klassischem Stil. Ein Rätsel
"der verschlossenen Tür" wie bei Edgar Allan Poes berühmter
Erzählung "Der Doppelmord in der Rue Morgue", mit der
Poe zum Begründer der modernen Detektivgeschichte wurde. Es ist
früh im Jahr 1973 und ein Mann von mittlerem Alter wird tot auf
dem Boden seines Wohnzimmers in einem vornehmen großen alten Haus
im vornehmen Stadtteil Birkijlid in Reykjavik gefunden. Die Ursache
des Todes ist eine tödliche Schußwunde in der Brust. Die
Polizei beginnt mit ihren Ermittlungen. Diese ergeben bald, daß
der plötzliche Tod von Jacob Kiefer jr., sehr ähnlich ist,
wenn nicht sogar exakt gleich, den Umständen, wie sein Vater zu
Tode kam. Den auch er wurde mit einer tödlichen Schußwunde
gefunden, am gleichen Platz, im gleichen Haus, ungefähr dreißig
Jahre früher, 1945.Auch dieser Tod wurde von der Polizei untersucht
blieb aber ebenfalls unaufgeklärt, da der Mörder nicht gefunden
wurde.Diese zwei Fälle scheinen miteinander verbunden zu sein.
Zwei Geschichten laufen parallel: eine spielt zwischen 1910 und 1945
und wird erzählt durch die Eintragungen in ein Tagebuch. Dieses
Tagebuch wurde geschrieben von Jacob Kiefer, dem Vater. Er war ein Ingenieur,
so wie sein Sohn und ein großer Bewunderer von Zügen, träumte
er doch von einer Zugstrecke durch die Stadt Reykjavik. In dieser Nebengeschichte,
eröffnet durch die Tagebücher, welche aus erster Hand die
Situation in Europa vor dem 2. Weltkrieg und die Zeit während des
Krieges in Island beschreibt, nutzt Viktor Arnar das Potential der Kriminalgeschichte,
um mehr als nur eine Kriminalgeschichte zu erzählen. Der zeitliche
Hintergrund von "Engin spor" ist teilweise die späte
industrielle Revolution in Island, bei denen die Tagebücher eine
wichtige Rolle spielen und dem Roman eine historische Dimension geben,
aber auch die Erzählung vorantreibt und den Schlüssel zur
Lösung bereithält. Auf diesem Weg ist die technische Entwicklung
in Island in diese Kriminalgeschichte verwoben und schlußendlich
ist es "Engineering", das den Schlüssel zur Lösung
liefert.
Es gibt eine Menge von aufschlußreichen Beschreibungen in dem
Roman über die Planung von Eisenbahnstecken, welche eine faszinierende
und spannende Geschichte in der Geschichte ist, so seltsam diese auch
zu sein scheint. In der Literatur ist ein "Zug" gleichbedeutend
mit "Leben", und zwei Männer verlieren ihr Leben in dieser
Geschichte, hinterlassen keine "Spuren" auf dem Schauplatz
des Verbrechens doch die Eisenbahnschienen erstrecken sich über
die Landschaft, daher der gut überlegte Doppelsinn des Titels.
In "Engin spor" nimmt Viktor Arnar einen komplett neuen Ansatz
in der Form vor und zog es vor, seine Verbrechen nicht mehr in der allzu
fernen Vergangenheit geschehen zu lassen, in den frühen siebziger
Jahren. "Flateyjargáta" spielt auch in der Vergangenheit,
oder in den früheren sechziger Jahren, und es muß gesagt
werden, daß diese ziemlich maßvolle und ländliche Fassade
der Vergangenheit besser zu Viktor Arnar paßt als der zeitgemäße
Glanz seiner frühen Werke. Zur gleichen Zeit ist Viktors Geschichte
eine wohl gesponnene Kriminalgeschichte, ebenso klar von der Erzeugung
der Atmosphäre und der Charaktere. Das Polizeiteam ist gut ausgesucht
und überzeugend, hauptsächlich die Hauptperson Jóhann,
der in forensischer Wissenschaft ausgebildet ist, ein Beruf, der eine
Neuerung für die isländische Polizei zu dieser Zeit darstellt.
Die Mordgeschichte, der Mörder ist mit einem Raum verbunden, die
Ermittler arbeiten in Reykjavik, doch die Familienhistorie dehnt sich
bis nach Deutschland aus. Der Autor ist sehr erfolgreich in seinem Ziel,
den Kriminalroman voran zu bringen; er bringt es fertig, den isländischen
Kriminalroman auf eine andere Ebene zu heben, und indem er dies vollbringt,
hinterläßt er einen unauslöschlichen Eindruck. "Engin
spor" bietet was jeder "Whodunit" bieten sollte: eine
unerwartete Wendung am Ende. Und als Bonus, wird uns ein epischer Einblick
gewährt, in die Komplikationen eines eigenbrötlerischen Geistes.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© April 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Heitur
snjór" von Viktor Arnar Ingólfsson (1982)
Ebenso ein zeitgenössisches Werk wie "Dauðasök",
beschreibt "Heitur snjór" in ähnlicher Weise die
Unschuld Islands angesichts der großen weiten Welt. Die Story
handelt über Drogen, wie im Titel schon angedeutet. Der Roman beginnt
in der Wüste Nordafrikas und beschreibt, wie das Opium vom Mittleren
Osten in die Türkei geschmuggelt wird und von da in die USA und
nach Europa. Die Hintergrundrecherche ist geschickt gemacht, und dies
ist auch bei "Dauðasök" der Fall. Viktor Arnar erschafft
hier um die Ereignisse in Nordafrika eine glaubhafte Atmosphäre.
Im nächsten Kapitel finden wir uns in New York wieder, wo es der
Polizei endlich gelingt, einen Dealer zu fassen, und einen Dealerring
aufzubrechen. Dies bringt einen isländischen Schmuggler und Dealer
namens Arnþor in Schwierigkeiten und er flieht zurück nach
Island mit ein paar Kilogramm reinem Heroin. Nach einigem Überlegen
entschließt er sich, den Stoff in Island zu verkaufen und die
weitere Geschichte erzählt die Geschehnisse darüber. Zusammen
mit der Erzählung über Arnþor, nun ein neu gewandelter
Playboy, hören wir nun eine Geschichte über eine ziemlich
normale Gruppe von Jugendlichen, die Opfer der Drogensucht werden, die
genauso beginnt, wie es heute beschrieben wird: sie werden angefixt
durch eine kostenlose Probe.
Obwohl der Roman in vielen Dingen interessant ist und viele Dinge voraussah,
die heutzutage eingetroffen sind, ist die Geschichte nicht so gut ausgeführt
wie in "Dauðasök", besonders was die Welt der Jugendlichen
betrifft, die unnötigerweise flach ist, und ihr Verhalten ist nicht
immer ganz glaubhaft - aber das Maß der Glaubwürdigkeit ist
das übliche Kriterium, um eine solche Erzählung bewerten zu
können.
Wie in "Dauðasök" ist die Geschichte kurz und im
zweiten Teil führt der Autor ein ganz gutes Team von Polizisten
ein, die ein wenig dem Team gleichen, das später in "Engin
spor" auftaucht. Für sich gesehen, gleichen die früheren
Geschichten mehr den Büchern von Brigitta Halldórsdóttir,
als den jüngsten populären Kriminalromanen, wie zum Beispiel
die von Arnaldur Indriðason, Árni Þórarinsson
und Stella Blómkvist, und natürlich Viktors eigenen neuesten
Romanen. Wie Brigitta gibt Viktor seinen Geschichten einen bestimmten
Zauber und eine Dramatik, indem er sie teilweise im Ausland spielen
läßt und diese Schau-plätze im Kontext von internationalen
Verbrechen behandelt, wie Terrorismus und Drogen. Der Stil ist also
gleich, die Geschichten sind im traditionellen Schreibstiel der populären
isländischen Romane gehalten. Es muß hinzugefügt werden,
daß Brigitta ihr erstes Buch 1983 veröffentlicht hat. Dies
erfolgt direkt auf das oben erwähnte, kleine Wellen in der literarischen
Landschaft schlagende, auftauchen von "Pulp" in Island. Es
ist keine Überraschung, daß auch Viktors Romane keine große
Aufnahme fanden, da Brigitta heutzutage eine mehr oder weniger bekannte
Autorin ist. Solche dramatischen Thriller scheinen zu der Frauendichtung
zu gehören - dennoch ist es interessant anzuführen, dass Árni
Þórarinssons neuester Kriminalroman, "I upphafi var
morðið" geschrieben zusammen mit Pall Kristinn Pálsson
(2002), sich vom Stil von Brigittas Art von Kriminalerzählungen
unterscheidet, und daß es nun scheint, daß dieser Unterschied
langsam an Anerkennung gewinnt.
Zwanzig Jahre später...
... aber nicht ganz, erscheint 1986 eine Kurzgeschichte von Viktor Arnar
in einer Sammlung, die nach einem Kurzgeschichtenwettbewerb, veranstaltet
vom Reykjaviker Kunstfestival, veröffentlicht wurde. Die Kurzgeschichte
heißt "Slossmæjer" und ist eine Art Thriller.
Eine Frau ruft nach einem Schlosser, um die Tür zu dem Haus ihres
Großvaters zu öffnen, da sie von dem alten Mann seit über
einer Woche nichts mehr gehört hatte, und er auf kein Telefon oder
Türklingel antwortet. Abgesehen von dieser Geschichte bleibt es
um Viktor sechzehn Jahre lang ruhig, bis "Engin spor" 1998
zur angenehmsten und überraschendsten Entdeckung wurde.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
© April 2005 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
"Dauðasök"
von Viktor Arnar Ingólfsson (1978)
In "Dauðasök" ist die Rolle der
Beamten minimal und es ist nicht erst am Ende der Geschichte, daß
der Leser herausfindet, daß er derjenige ist, der die Handlungskette
von Anfang an durchschaut. Diese Ereignisse sind die aktuellen terroristischen
Akte, die sich zur damaligen Zeit meistens in Flugzeugentführungen
äußerten. Deutsche waren besonders in den damaligen Terrorismus
involviert und der Roman spielt teilweise auch in Deutschland. Ein deutscher
Polizeibeamter ist in einem Einsatzkommando, daß dem Terrorismus
ein Ende setzen soll. Bei seinen Ermittlungen verfolgt er eine junge
Frau, die nach Island flieht. Ein anderer Erzählstrang bezieht
ein Gerücht ein, welches ein Attentat auf die Deutsche Botschaft
in Reykjavik vorhersagt und ein frisch verheiratetes isländisches
Paar, auf ihrem Weg in die Flitterwochen. Als der deutsche Polizeibeamter
in Island ankommt, hat er keine Papiere, die seine Identität ausweisen
und er wird prompt verhaftet. Er bringt es fertig zu entkommen und greift
die Terroristen an, aber da sein Anschlag ungeschickt ist und auf Missverständnissen
darüber basiert, wie die Dinge wirklich stehen, treibt er die Dinge
nur an und er wird selbst auf dem Weg zum Flughafen mit einer Busladung
Fahrgäste entführt. Der letzte Teil des Buches beschreibt
die Geiselnahme und die Konsequenzen daraus.
Die Geschichte ist sehr kurz und es ist mehr eine Novelle als ein Roman.
Obwohl man an einigen Stellen merkt, daß es das Werk eines "Neulings"
ist, ist der Stil unangestrengt und die Erzählung interessant,
besonders gilt dies für die ziemlich gute Kombination einer internationalen
Terroristmusangst und der Position Islands in dieser Zeit. Und es ist
auch deshalb interessant, weil sich an den Terrorismus zu erinnern,
gerade in dieser Zeit, die Erkenntnis bringt, daß er nicht etwas
Neues ist, sondern sich nur die Methoden geändert haben und die
Haltung dazu.
Vielen Dank an Jürgen Ruckh aus Esslingen
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