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Tatort Fjällbacka - Das große Camilla Läckberg Special auf schwedenkrimi.de Tatort Fjällbacka - Das große Camilla Läckberg Special auf schwedenkrimi.de
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Tatort: Fjällbacka

In Fjällbacka ist nichts mehr so, wie es einmal war, seitdem eine Mordserie das malerische Küstenstädtchen 130 Kilometer nördlich von Göteborg heimsucht. Schon jetzt geht der 1 000 Einwohner zählende Ort als der Ort mit der höchsten "Mord-pro-Kopf"-Rate in die schwedische Geschichte ein, obwohl Åke Edwardson und Helene Tursten sich alle Mühe geben, Göteborg zum Epizentrum der schwedischen Krimibewegung zu machen. Doch Camilla Läckberg, 1974 selbst in Fjällbacka geboren, ermordet pro Buch durchschnittlich zwei Menschen - Bei nur 1 000 Einwohnern ist Fjällbacka damit der gefährlichste Ort in Schweden, noch vor Stockholm, Göteborg und Ystad …

Fjällbackas tödlicher Granit

Dabei gibt sich Fjällbacka ahnungslosen Touristen äußerst idyllisch. Dominiert wird das Stadtbild von der im typischen Bohuslängranit gebauten Kirche.


Buchcover Olycksfågeln
Granit aus den Steinbrüchen in und um Fjällbacka bedeutet Unglück und Mord, wenn Camilla Läckberg ihre Finger im Spiel hat.



Doch die Steinbrüche, die sich von Fjällbacka bis rauf nach Strömstad zogen und in denen Granit abgebaut wurde, haben nicht allen Glück, Geld und Zufriedenheit gebracht. Das beweist Camilla Läckberg in ihrem dritten Kriminalroman "Der Steinmetz" (Stenhuggaren, 2005). Hier entdeckt der Fischer Frans Bengtsson eines schönen Sommermorgens nicht nur Hummer, sondern auch eine Mädchenleiche in seinem Netz. Zunächst geht die Polizei von einem Unglücksfall aus, doch die Obduktion ergibt: Die erst sieben Jahre alte Sara wurde ermordet. Der Fall geht Patrick nahe, ist er doch selbst gerade erst Vater einer Tochter - Maja - geworden. Je mehr das Team um Patrick Hedström nachforscht, desto brüchiger wird die idyllische Fassade Fjällbackas. Hinter verschlossenen Türen verbirgt sich eine ganz andere Realität, als es nach außen hin den Anschein hat.


Buchcover Stenhuggaren
Mondän oder morbid: An einer solchen Brücke am Ingrid-Bergmans-Platz müssen Patrick und sein Kollege Martin die tote Sara in Augenschein nehmen.



Parallel dazu erzählt Camilla Läckberg in ihrem dritten, zurzeit noch nicht auf Deutsch vorliegenden Roman, vom Steinmetz Anders, der 1923 in den Steinbrüchen von Strömstad arbeitet und sich in Agnes, die Tochter des Direktors, verliebt. Es wird, weil die Zeiten so sind, wie sie sind und Agnes ein verwöhntes Gör, eine unglückliche Liebe, mit schrecklichen Folgen für alle Beteiligten. Die Antwort auf das "Warum?" verweist Patrick und seinen Partner Martin also auf die Vergangenheit. Die grausame Erkenntnis: Oft sind es diejenigen, die am meisten lieben sollten, die Kindern das Schlimmste zufügen. Das gilt auch für "Der Pechvogel" (Olycksfågeln, 2006) "Der Prediger von Fjällbacka" (Predikanten, 2004), Buch Nummer vier und zwei in Camilla Läckbergs Fjällbacka-Serie um Erica Falck und Patrick Hedström, sowie für den ersten Roman "Die Eisprinzessin schläft" (Isprinsessan, 2004).

Wen die Familie im Stich lässt …

Hier eine Mutter, die, überfordert und alkoholkrank, ihre Kinder eines Tages einer psychisch kranken Frau überlässt und damit ungewollt den Grundstein für eine mörderische Zukunft legt, dort die zerrüttete Familie des freikirchlichen Predigers Ephraim Hult, die in der Vergangenheit blutige Schuld auf sich geladen hat, und schließlich sexueller Missbrauch an zwei Kindern, der dem Mord an der "Eisprinzessin" zugrunde liegt. Am Rande taucht dieses Thema auch in "Der Steinmetz" wieder auf.


Königsschlucht von Fjällbacka
Königsschlucht von Fjällbacka

"Er blieb einen Augenblick stehen und blickte ehrfürchtig in die Kluft mitten im Berg. (…) Drei große Felsblöcke waren für ewig mitten in der Spalte hängengeblieben und boten einen eindrucksvollen Anblick. (…) die Königsschlucht. Eine Frau lag dort (…) mit starrem Blick (…)"
(Quelle: "Camilla Läckberg: Der Prediger von Fjällbacka, Gustav Kienpenheuer Verlag 2006, S. 5-6")


Familie und Kindheit scheinen also Schlüsselbegriffe im kriminalliterarischen Werk Camilla Läckbergs zu sein. Hier geschieht hinter verschlossenen Türen, vor der Öffentlichkeit verborgen, das Unfassbare, das Unaussprechbare. Leid und Verrat. Mord, wenn sich das Familiengeheimnis nicht mehr vertuschen lässt oder die Liebe des Kindes zu den Eltern missbraucht und pervertiert wird. Wen die Familie im Stich lässt, wird nicht selten in Camilla Läckbergs Krimis ermordet oder wird selbst zum Mörder. Dabei kommt am Ende ja doch alles ans Tageslicht, gerade wegen des Mordes.

Plötzlich Vater: Liebe in Zeiten der Ehe und des Windelwechselns

Im absoluten Kontrast dazu steht das Ehe- und Familienleben der Polizisten in Läckbergs Romanen. Auch wenn bei Kommissar Bertil Mellberg, Patricks Chef, zunächst nicht alles bestens ist, gibt es für die Beteiligten doch ein versöhnliches Ende. Unverhofft nämlich wird Mellberg in "Stenhuggaren" Vater eines fast erwachsenen Sohnes, Simon. Der wird von seiner verzweifelten Mutter kurzerhand zu seinem bis dato völlig ahnungslosen Vater Mellberg geschickt, um von diesem als "männliches Vorbild" wieder auf die rechte Bahn gebracht zu werden. Nach anfänglicher Angst und großem Widerwillen nimmt Mellberg die ihm zugewiesene Vaterrolle schließlich mit mehr Enthusiasmus an, als Simon lieb ist. Mellberg entwickelt ein Konzept der "Vater-und-Sohn-Aktivitäten". PC-Spiele, Disco und vorm Fernseher Abhängen gehören, zu Simons Leidwesen, jedoch nicht dazu, und in Ermangelung von Pornoklubs und Spielhallen in Tanumshede und Umgebung entschließt sich Pappa Bertil zu einem Besuch der weltberühmten Felszeichnungen von Tanumshede.


Felszeichnungen von Tanum
Felszeichnungen von Tanum

"Nicht dass er selbst besonders interessiert an sonderbaren Figuren auf Steinplatten war, aber es war wenigstens etwas, das sie zusammen tun konnten. Er hatte sich nämlich dazu entschlossen, dass das das neue Motto in ihrer Beziehung zueinander sein sollte - zusammen. Kein einsames, stundenlanges Spielen für sich alleine, kein Fernsehgucken bis spät in den Abend …, sondern stattdessen gemeinsame Abendessen mit ergiebigen Gesprächen und vielleicht einer gemeinsamen Partie Monopoli zum Abschluss…"
(Quelle: "Camilla Läckberg: Stenhuggaren, Bokförlaget Forum 2005: S. 366, Übers.: Alexandra Hagenguth")


Klar, dass das bei Simon nicht unbedingt große Begeisterung auslöst, aber am Ende des Sommers sind die zwei sich näher gekommen, auf dem Weg zu einer Vater-Sohn-Beziehung, wie sie sicherlich charakteristisch für unsere Zeit zu nennen ist. Räumlich getrennt - Simon fährt reuig wieder zu seiner Mutter -, aber emotional verbunden.

Die heile Welt der Camilla Läckberg

Noch deutlicher wird der "Heile-Welt"-Kontrast im Familienleben der Polizisten bei den Protagonisten Patrick und Erica selbst, die in "Olycksfågeln", Buch vier, endlich heiraten dürfen. Zwar leidet Erica zunächst an postnatalen Depressionen (vgl. "Stenhuggaren"), aber dass es grundsätzlich zwischen Erica und Patrick stimmt, daran lässt die Autorin in allen bis dato vier Romanen keinen Zweifel. Insbesondere für Patrick ist das Familienleben mit Erica und Maja der dringend benötigte Zufluchtsort, wo er Kraft für die tägliche Polizeiarbeit schöpfen kann; Zu keiner Zeit bezweifelt außerdem Erica, das Richtige getan zu haben. Maja ist ihr Augenstern, Patrick ihre Liebe. Risse sind - zumindest bis zum jetzigen Zeitpunkt - nicht zu erkennen. Beziehung und Partnerschaft, Kind und Ehe sind damit bei Läckberg das signifikante Gegenbild zu den einsamen, verlassenen, eigenbrötlerischen Polizisten wie Wallander, aber auch zu den mit Kind und Karriere kämpfenden Frauen wie Annika Bengtzon und Ann Lindell.


Impressionen aus Fjällbacka
Kindheit und Familie sind Schlüsselbegriffe im kriminalliterarischen Werk von Camilla Läckberg. Doch oft genug bedeuten sie Verrat, Ausbeutung und Mord, um sich einer alten Schuld zu entledigen.



Trotzdem hat auch Ericas Familie eine Leiche im Keller. In "Stenhuggaren" löst sich Ericas Schwester Anna endlich von ihrem despotischen Mann Lucas - indem sie ihn tötet. Und Erica belastet ihr gestörtes Verhältnis zu ihrer inzwischen verstorbenen Mutter. Warum war sie immer so kühl, so distanziert? Warum gibt es keine Fotos aus der Kindheit der Mutter? Antworten scheint eine verstaubte Truhe auf dem Dachboden zu geben. In ihr entdecken Patrick und Erica am Ende des vierten Buches "Olycksfågeln" eine Nazimedaille, die in einen blutbefleckten Kinderpullover eingewickelt war. Ja, Camilla Läckberg versteht sich auf Cliffhanger! Auflösung darf man hoffentlich von Läckbergs fünftem Krimi - Arbeitstitel "Tyskungen" (etwa: "Deutschkind") - erwarten. Hierfür recherchiert die Autorin zurzeit in Archiven und Bibliotheken über die Zeit des Zweiten Weltkrieges in Fjällbacka.

Leerstellen bei Läckberg

Doch alles Brüchige dient doch vielleicht nur dazu, den nächsten Krimiplot zu schmieden. Tatsache ist, dass das Private in bisher - selbst bei Mankell - nicht gekanntem Ausmaß in den Vordergrund rückt. Während bei Mankell Wallanders Familienleben eher Spotlightartig beleuchtet wird und den politischen, gesellschaftskritischen Aspekt auf der privaten Ebene widerspiegelt und als Reflexionsebene von existentieller Bedeutung dient, fehlen bei Camilla Läckberg diese Meta-Bezüge. Es sei denn, man postuliert, in skandinavischer Tradition, dass das Politische privat ist und das Private politisch. Dann aber zeigt Läckberg ein fast schon wieder konservativ zu nennendes Frauen- und Familienbild, das möglicherweise der im Vergleich zu Deutschland weit vorangeschrittenen Emanzipation und Gleichstellung der Frauen im Berufs- und Alltagsleben zu verdanken ist. Erst wenn eine Gesellschaft soweit gekommen ist, kann ein ursprünglich konservatives Bild von Familie, Frau und Beruf so selbstverständlich in epischer Breite und ohne großen Aufschrei und Widerspruch in der Öffentlichkeit geschildert, ja fast schon verherrlicht werden. Das steht auch in deutlichem Kontrast zu den Frauen- und Rollenbildern, die etwa Liza Marklund mit Annika Bengtzon oder Kjell Eriksson mit Ann Lindell entwerfen, und dennoch nimmt ganz sicher auch Camilla Läckberg für sich in Anspruch, gesellschaftliche Realität abzubilden. Doch alles Gesellschaftskritische, alles Brüchige in den Figuren (Annika Bengtzon ist ja alles andere als unkompliziert und auch ihre Beziehung zu ihrem Mann nicht ohne Spannungen, Ann Lindell ist alleinerziehende Mutter) scheint bei Läckberg abwesend, ausgelöscht. Gesellschaftskritik wird bei Läckberg, wenn sie denn geäußert wird, reflexartig von den Protagonisten geäußert. Wo Kurt Wallander melancholisch räsoniert und Annika Bengtzon pathetisch und mit Emphase polemisiert, entsteht bei Läckberg ein Vakuum. Besonders augenfällig ist dies in "Olycksfågeln".


Impressionen aus Fjällbacka
Die Idylle trügt: Wer in Fjällbacka zum Fischen hinausfährt, hat vielleicht eine Leiche an der Angel.



In einer verschärften Big-Brother-Das-Dorf-Version fällt die Produktion "Fucking Tanum" in Patricks Polizeirevier ein und natürlich verabscheuen Patrick, sein Kollege Martin und alle Personen in deren sozialen Umfeld das menschenunwürdige Zurschaustellen der "Fucking Tanum"-Teilnehmer. Was aber bei Mankell oder Marklund von existentieller und essentieller Bedeutung auch im metaphorischen Sinn für das Romangeschehen wäre, dient bei Läckberg nur als Kulisse zu einem Mord, der aber nichts mit "Fucking Tanum" als gesellschaftlichem Phänomen zu tun hat. Ganz bestimmt ist die Kritik an "Fucking Tanum" von Läckberg ernst gemeint und spiegelt auch ihre persönliche Meinung wider, doch bleibt sie folgenlos, zeigt keine Konsequenzen in der Romanhandlung, wird nicht zum Sinnbild einer Gesellschaft, mit der es moralisch stetig bergab geht. Die Kritik verharrt in einem Vakuum. Wo Marklund und Mankell sie in einen gesellschaftspolitischen Kontext einbetten, bleibt bei Camilla Läckberg eine Leerstelle. Das stellt einen gravierenden Unterschied zu den Kings und Queens of Crime der 1990er und frühen 2000er Jahren dar, bei denen der aufzuklärende Mord immer auch in einem übergeordneten Bezug zu gesellschaftlichen Veränderungen, Problemen und Entwicklungen steht. Das ist - vielleicht - Ausdruck einer neuen, jüngeren Autoren- und Protagonistengeneration. Sowohl Patrick als auch sein Kollege Martin und ihre Autorin gehören schließlich einer jüngeren Generation als Kurt Wallander und sein Schöpfer Henning Mankell an. Im Unterschied zu Wallander leben Patrick und Martin privat beide in gefestigten, stabilen Verhältnissen (Patrick ab Ende des ersten Buches, Martin ab Beginn des dritten Buches). Es wird sich zeigen, ob Patrick, Martin und Erica noch das bevorsteht, was Kurt schon hinter sich hat oder ob sich hier mit einer neuen Autorengeneration ein Gegenentwurf zu den Familienverhältnissen und -zerrüttungen der 1990er Jahre etabliert.


Fjällbackas Bootshäuser
Das sommerliche Fjällbacka lockt Jahr für Jahr zahlreiche Touristen. Doch 2004 wird hier eine deutsche Urlauberin tot aufgefunden, kurz darauf eine weitere junge Frau entführt. Patrick Hedström bleibt keine Zeit für unbeschwerte Tage am Meer.



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Autorin: Alexandra Hagenguth - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien, Über Feedback freuen wir uns sehr, einfach hier klicken.
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