Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde

Auftaktveranstaltung der KriMinale Moers 2008

Strafvollzug statt Frauen und Fußball

Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström
Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström
Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström
(in der Mitte schwedenkrimi.de-Redakteurin
Alexandra Hagenguth)

Moers/Oberhausen, 17.02.2008. „Leif GW Persson hat wegen einer schweren Angina und Herzproblemen vom Arzt absolutes Flugverbot bekommen. Er kann leider nicht zum Auftakt der KriMinale Moers lesen.“ Diese Nachricht hat die künstlerische Leiterin des „kriminellen“ Festivals, Gabriele Esser, am Donnerstag, nur drei Tage vor Auftakt des zum zweiten Mal stattfindenden Events, erreicht. Zusammen mit dem Fischer Taschenbuch Verlag konnte sie aber hochrangigen „Ersatz“ finden – und das gleich doppelt: Das Autoren-Duo Anders Roslund und Börge Hellström.

„Es ist nicht das erste Mal, dass wir für Leif einspringen“, verraten Anders Roslund und Börge Hellström im Vorabgespräch mit schwedenkrimi.de-Redakteurin Alexandra Hagenguth, die als Moderatorin und – kurzfristig nun auch als Dolmetscherin – durch den Abend führen wird. „Vor ein paar Jahren, als unser erstes Buch erschienen war, sprangen wir auf der Buchmesse in Göteborg für ihn ein – als absolute Newcomer und Nonames als Krimiautoren. Wir hatten großen Respekt und Angst, dass die Leute vor lauter Enttäuschung den Saal verlassen würden.“ Doch sie blieben, und heute müssen der 46jährige Roslund und der 50jährige Hellström den Vergleich mit dem „großen Alten“ des schwedischen Krimis nicht mehr scheuen, zählen sie in Schweden seit ihrem Debüt mit „Die Bestie“ aus dem Jahr 2004 doch mittlerweile zu den renommiertesten Krimiautoren des Landes. Mehr noch. Leif GW Persson höchstpersönlich hat ihnen bescheinigt „gute Krimis“ zu schreiben. „Ich dachte, ich traue meinen Ohren nicht und bedankte mich nur ganz artig mit einem erstaunten ‚Danke’“, verrät Hellström, der das ganze Gegenteil des Kriminologen, Gelehrten und Theoretikers Persson ist, die Schule vor allem schwänzte, statt sie zu besuchen, alkohol- und drogenabhängig war und daher den Strafvollzug als Gefängnisinsasse ganz praktisch und konkret aus eigener Erfahrung heraus kennt.

„Über unser gemeinsames „Interesse“ für Kriminologie und Strafvollzug haben wir uns auch kennen gelernt“, verrät der Fernsehjournalist Anders Roslund später den rund 150 Besuchern der Lesung. „Ich arbeitete an einer Reportage über „KRIS“ (Kriminellas Revansch i Samhället – Die Rache der Kriminellen in der Gesellschaft), deren Mitgründer Börge war. Über ein Jahr lang habe ich die Arbeit der Organisation begleitet. Herausgekommen ist dabei die Reportage „Sperrt sie weg“. Normalerweise ist es dann so, dass nach Fertigstellung des Filmes die Klappe fällt, man bedankt sich und geht zum nächsten Job, zur nächsten Reportage über. Doch bei uns zwei war das anders. Wir blieben in Kontakt und trafen uns weiter. Doch statt über Fußball und Frauen zu reden, sprachen wir immer nur über Kriminalität und Strafvollzug. So entstand schließlich die Idee, darüber Bücher, Krimis, zu schreiben, denn zwar hatte ich mich zuvor jahrelang mit diesen Themen journalistisch beschäftigt, aber im Fernsehen ist es doch so: Wenn die Nachrichten laufen und die Welt in 30 Minuten zu einem ins Wohnzimmer kommt, wird alles gleich wichtig und was am Ende hängen bleibt, ist doch nur der Wetterbericht, weil er immer zum Schluss kommt.“

Schonungslos, brutal – real

In Erinnerung bleibt das Autorenduo mit seinem schonungslosen, oft brutalen Stil und grausamen Geschichten, die unserer Realität entspringen, ganz sicher. Mit einer gekonnten Mischung aus harten Fakten und knallharter Recherche einerseits und spannungsgeladener Fiktion andererseits haben sich die beiden im heiß umkämpften Krimimarkt ihre Nische erobert. Dabei geht es Roslund und Hellström nicht um billige Effekthascherei. Stolz sei man vielmehr darauf, dass es ihnen mit ihren Krimis immer wieder gelänge, wichtige gesellschaftliche Debatten in Schweden in Gang zu setzen. So auch bei „Blasse Engel“, dem zweiten Krimi aus der Feder Roslund und Hellströms und das Buch, das sie an diesem Abend präsentieren.

 
Mord am Niederrhein – Die KriMinale Moers
Die KriMinale Moers 2008 findet vom 17. Februar bis zum 9. März nach der Premiere 2006 bereits zum zweiten Mal in der Grafenstadt statt und erwartet so hochkarätige AutorInnen und SchauspielerInnen wie Anna Thalbach, die Fred Vargas liest, oder den Mülheimer Jörg Juretzka. Gelesen wird unter anderem an so spannenden Orten wie dem Hafthaus und im Schöffensaal des Amtsgerichts. Veranstaltet wird das Festival von der Zentralbibliothek Moers in Zusammenarbeit mit der Stadt Moers. Die Kulturstiftung der Sparkasse am Niederrhein unterstützt die KriMinale finanziell.

Auftaktveranstaltung der kriminale 2008
Bild: Sparkasse am Niederrhein
  KriMinale Moers

Es geht um die junge Litauerin Lydia, die als Zwangsprostituierte täglich zwölf Freier ertragen muss. Nie weniger als zwölf. Drei Jahre lang. Jeden Tag. Als „Dimitri Scheißzuhälter“ sie mit 35 Peitschenhieben misshandelt, ruft das endlich die Polizei auf den Plan. Sie bringt Lydia ins Krankenhaus, wo sie es schafft, mithilfe ihrer Freundin und „Kollegin“ Alena, der in dem allgemeinen Tumult die Flucht gelungen war, bis in die Pathologie vorzudringen und fünf Geiseln zu nehmen. Sie verlangt, dass der Polizist Bengt Nordwall, gleichzeitig bester Freund des ermittelnden Roslund-und-Hellström-Kommissars Ewert Grens, in die Pathologie kommt. Dort erschießt sie erst ihn, dann sich selbst. Sie hinterlässt ein Video, das Bengt Nordwall in Sachen Zwangsprostitution und Menschenhandel schwer belastet. Ewert, hin- und hergerissen zwischen dem, was Recht und Gesetz verlangen und dem Wunsch, der Witwe seines Freundes die Wahrheit über ihren toten Ehemann zu ersparen, lässt das Video verschwinden und nimmt den Frauen damit ein weiteres Mal ihr Recht auf Selbstbehauptung und das, ihre Geschichte zu erzählen.

Sjöwall/Wahlöö

Wer bei soviel (Sozial-)Kritik und Realismus an Sjöwall/Wahlöö denkt, liegt nicht ganz falsch: „Wir haben Maj sehr viel zu verdanken. Sie bekam als Lektorin unser fertiges Manuskript als Erste zu lesen und fand, es sei das beste des Jahres gewesen. Ihr haben wir also ganz direkt zu verdanken, dass wir veröffentlicht wurden. Aber natürlich spielen Sjöwall/Wahlöö auch indirekt eine große Rolle. Wir sehen uns als Erbverwalter und dieser literarischen Tradition verpflichtet“, so Anders Roslund. Anders jedoch als bei dem Autorenduo der 1960er und 1970er Jahre steht bei Roslund und Hellström nicht so sehr der ermittelnde Kommissar im Vordergrund, sondern liegt der Fokus auf den Schicksalen der Mörder und ihrer Opfer, sind Revanche und die Genugtuung, die das Opfer angesichts seiner Rache empfindet, die zentralen Themen. Was treibt die Täter an, wann wird ein Mensch zum Mörder?

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In „Blasse Engel“ sind es Gefühle wie Scham und Schande, die Auslöser für kriminelle Taten werden: „Die Schande treibt sie alle an. Wir sollten keine Verbrecher jagen. Wir sollten die Schande jagen, die die Verbrecher antreibt.“ (Blasse Engel, Fischer Taschenbuch Verlag, 2007: S. 156) Das gilt für die missbrauchten, vergewaltigten und ausgenutzten Zwangsprostituierten ebenso wie für ihre Freier. „Die Männer, die solche sexuellen Dienste kaufen, weisen eigentlich ein ähnliches Verhalten wie Drogen- oder Alkoholabhängige auf. Sie sind Sexsüchtige und versuchen, indem sie diese Art von Sex kaufen, andere Gefühle, wie zum Beispiel Angst, zu blockieren, zu unterdrücken“, erklärt Börge Hellström, der selbst mit dreizehn seinen ersten Vollrausch erlebte. Es folgten lange Jahre des Drogen- und Alkoholmissbrauchs. Gefängnisaufenthalte. Bis irgendwann im Winter 1994 der Wendepunkt kam. Als Börge Hellström zutiefst deprimiert und alkoholisiert zum Gewähr greift, um sich zu erschießen. Doch er findet das Endstück des Gewehrs nicht, schläft auf dem Sofa ein, erwacht am nächsten Morgen mit einem fürchterlichen Kater, dem Gewehr, das an der Wand lehnt, und dem festen Willen, nun sein Leben zu ändern, zu leben, statt zu sterben. Und so beginnt der lange Weg zurück in die Gesellschaft, vom Kriminellen zum Kriminalautor.

Ein starkes Team

Über das – tägliche, völlig unromantische – Schreiben dieses ungleichen Autorenduos verraten die beiden an diesem Abend nur so viel: „Wir treffen uns in einem leerstehenden Geschäftslokal etwas außerhalb von Stockholm, beginnen jeden Tag mit einer Therapiestunde, in der wir uns alles, was beim Schreiben stören könnte, von der Seele reden und arbeiten dann täglich von 9 bis 17 Uhr acht Stunden“, so Roslund. Und weiter: „Damit sind wir beide aufeinander zugegangen. Ich habe vorher 16 Stunden am Tag gearbeitet, Börge null. Acht Stunden ist ein guter Kompromiss.“ Privat treffen sich die beiden hingegen nie – fast nie. Roslund: „Letztes Jahr wurde Börge 50 und ich war zu seinem Geburtstagsfest eingeladen. Da musste ich es dann wohl oder übel zwei Stunden auch privat mit ihm aushalten.“ „Damit die Zusammenarbeit reibungslos funktioniert, ist es wichtig, die Unterschiedlichkeit unserer Charaktere zu akzeptieren. Am Anfang wollte jeder viel von sich selbst in den Roman einbringen. Heute geht es uns nur noch darum, was gut und wichtig für das Buch, für die Geschichte ist, nicht primär für uns“, ergänzt Hellström. Und bleibt der konkrete, handwerkliche Schreibakt auch Nebulös und das bestgehütete Geheimnis der Autoren, so steht nach zweistündigem „Verhör“ des kriminellen Duos in jedem Fall fest: Romane wie „Blasse Engel“ sind Börge Hellströms beste Art, sich an der Gesellschaft zu revanchieren, und zusammen sind Roslund und Hellström „ein starkes Team“.


Autorin:
Alexandra Hagenguth/
© Februar 2008 - Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)
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