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Literaturportal schwedenkrimi.de: Nachdem Dein Buch "Snjóblinda" im Jahr 2011 in Deutschland unter dem Titel "Schneebraut" erschienen ist, wird es in diesem Jahr als Taschenbuch neu aufgelegt. In der Zwischenzeit hast Du in Island zwei neue Kriminalromane herausgebracht. Im Jahr 2011 "Myrknætti" und dieses Jahr "Rof". Kannst Du den deutschen Lesern sagen, ob einer dieser Romane oder beide, in Deutschland erscheinen werden? Ragnar Jonasson: Ja, der Fischer Verlag hat bereits die Rechte für "Myrknætti" gekauft und ich hoffe, der Roman wird im nächsten Jahr in Deutschland veröffentlicht werden. "Myrknætti" ist eine eigenständige Fortsetzung von Snjóblinda, die auch im Siglufjórður in Nordisland spielt. Der junge Polizist Ari untersucht den Mord an einem Mann, der eine Menge dunkler Geheimnisse gehabt zu haben scheint, während zur gleichen Zeit eine junge Frau um ihr Leben kämpft; eingeschlossen in einem unbekannten Raum irgendwo in Island. Der dritte Roman in meiner Serie, "Rof," wurde gerade erst in Island veröffentlicht. Der Polizist Ari ist immer noch die Hauptfigur in "Rof" und er untersucht einen 50 Jahre alten Mordfall, der in dem verlassen Fjord Héðinsfjörður, der in der Nähe von Siglufjörður liegt, geschehen ist. Im Jahr 1955 zogen zwei junge Paare in ein altes Haus in diesem verlassenen Fjord, der von Bergen umgeben und von anderen Dörfern abgeschnitten ist. Eine der Frauen wurde vergiftet und das Geheimnis wurde nie gelöst, doch fünfzig Jahre später wird ein alter Fotograf ausfindig gemacht, der andeutet, dass die Paare nicht allein in diesem Fjord waren. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du scheinst eine Vorliebe für abgeschlossene Räume zu haben, in denen Deine Handlungen spielen.. Ob es nun Landschaften, Fjorde sind oder unbekannte Räume. In "Snjóblinda" sorgte ein Schneesturm für Abgeschiedenheit und in Deinem neuen Roman ist es ein schwer zugänglicher Fjord. Was fasziniert Dich an diesen "Locked room" Fällen. Ragnar Jonasson: Ja, Du hast recht - alle diese Geschichten haben ein bestimmtes klaustrophobisches Thema. Ich finde es faszinierend, mich mit den Auswirkungen der Isolation, mit seinen vielfältigen Ausbildungen auf Menschen, auseinander zu setzen - und zu sehen, wie extreme Umstände das menschliche Verhalten ändern können. Auch bin ich ein großer Anhänger der klassischen "Golden Age Mysteries", wie zum Beispiel die Bücher von Agatha Christie, Ellery Queen und Josephine Tey. Natürlich schreibe ich moderne skandinavische Kriminalromane, doch ich möchte auch einige Bestandteile dieser alten Kriminalromane in meinen Büchern beibehalten, wie zum Beispiel eine starke Gewichtung auf eine überraschende Lösung und auf den Schauplatz. Ein autarker und isolierter Fjord ist ein sehr geeigneter Schauplatz für diese alte Tradition. Auf diese Art und Weise kann der Ort oder Schauplatz des Buches ein besonderes Merkmal der Geschichte sein - oder sogar nahezu der Hauptfigur gleichgestellt! Die gewaltige isländische Natur ist auch einer der Gründe für die Schauplätze meiner Bücher - die isolierten Dörfer, die hohen Berge, die sehr dunklen Winter und die sehr hellen Sommer, dies alles fügt sich sehr gut in meine Kriminalromane ein.
Stichwort Agatha Christie. Du hast einige Bücher von ihr ins Isländische übersetzt. Machst Du das noch und hat Dich die Arbeit als Übersetzer in Deinem Schreibstil beeinflusst? Das heißt, hast Du etwas vom Schreibstil von Agatha Christie übernommen? Ragnar Jonasson: Ja, ich habe vierzehn Agatha Christie Romane ins Isländische übersetzt. Ich denke, dass Agatha und einige andere favorisierten Kriminalschriftsteller, wie P.D. James, mich beeinflusst haben müssen. Agatha ist die Meisterin im Erfinden von Plots, überraschenden Lösungen und bemerkenswerten Stimmungen - und ich hoffe es ist mir gelungen, etwas von ihr auf diesem Gebiet zu lernen. Literaturportal schwedenkrimi.de: Du arbeitest als Anwalt und hältst auch Vorlesungen in Markenrecht an der Universität von Island. Daneben hast Du sicherlich auch noch ein Familienleben. Wann also schreibst Du? Wie ist Dein Schreibprozess, das heißt hast Du ein tägliches Pensum, schreibst Du morgens oder abends? Gibt es einen genauen Plan der Handlung bevor Du anfängst zum Schreiben? Ragnar Jonasson: Ja, ich nutze meine freie Zeit abends, am Wochenende und während der Ferien zum Schreiben. Dies könnte schwierig werden, aber ich denke, es gibt eine Grenze dafür, wie viel jemand an einem Tag schreiben kann. So genügen mir meist ein paar Stunden am Abend (oder in der Nacht). Wenn ich anfange, ein neues Buch zu schreiben, habe ich mir normalerweise bereits über ein Jahr lang Gedanken über die Handlung, Struktur, Charaktere und Handlungsorte gemacht; Notizen über verschiedene Ideen erstellt und ausgewählt, an welchen Ideen ich weiter arbeiten werde. Der Haupthandlungsstrang und der Plot sind mehr oder weniger in meinen Gedanken fertig, wenn ich mich an meinen Computer zum Schreiben setze, doch einige Teile der Geschichte ändern sich natürlich, während des Schreibens, wenn die Charaktere zum Leben erwachen und überraschende Dinge tun. Literaturportal schwedenkrimi.de: Das ist etwas, was viele Schriftsteller erzählen, dass sich Ihre Charaktere selbstständig machen, ein eigenes Leben entwickeln. Gibt es eine Figur, die Dich am meisten überrascht hat - die sich ein "eigenes Leben" erkämpft hat? Ragnar Jonasson: Du fragst nach Charakteren, die durch sich selbst "zum Leben" kommen. Ich denke, ich muss hier Ari erwähnen. Seit ich ihn erschaffen habe, überrascht er mich ständig. Zuerst war es nicht vorgesehen, dass er ein Polizist sein sollte und dann hat er auch einige dunkle Seiten, die sich ausgebildet haben, wie zum Beispiel Eifersucht und ein bestimmter Mangel an Mitgefühl für andere - so bin ich immer noch dabei, Ari kennenzulernen. Ich könnte auch eine andere Hauptfigur aus "Schneebraut" erwähnen aber ich möchte den Namen von ihm oder ihr nicht nennen (da ich die Überraschung für diejenigen nicht ruinieren möchte, die das Buch noch nicht gelesen haben). Diese Figur entwickelte sich langsam, während ich das Buch schrieb, indem sie zu einem sehr dunklen Charakter wurde. Literaturportal schwedenkrimi.de: Deine Hauptfigur ist der Polizist Ari in Siglufjörður, der ein Quereinsteiger bei der Polizei ist. Im ersten in Deutsch erschienen Buch ist er noch hin- und hergerissen, ob diese Entscheidung richtig war. Auch sein Privatleben ist sehr kompliziert. Ich nehme an, in den nachfolgenden Romanen, hat Ari eine Weiterentwicklung als Polizist, wie auch in seinem Privatleben genommen. Ragnar Jonasson: Ja, Ari ist ein junger Mann, der diese Probleme in seinem Privatleben und in seiner Laufbahn als Polizist hat. Es ist für ihn schwierig, sich an das abgelegene Dorf Siglufórður zu gewöhnen, speziell im Winter, doch in den darauffolgenden zwei Romanen, arbeitet Ari immer noch in Siglufjörður. Ganz allmählich behagt ihm das Leben in Siglufjörður aber er ist immer noch nicht ganz sicher, ob er das Dorf zu seiner dauerhaften Heimat machen soll oder versuchen, seine Karriere irgendwo anders voranzutreiben. Seine Freundin Kristin wird ebenfalls in den folgenden zwei Büchern weiter hervorgehoben. Literaturportal schwedenkrimi.de: In Deinem neuesten Buch "Rof", was übersetzt "Erosion" heißt, greifst Du auf Aufzeichnungen Deines Großvaters zurück. Er schrieb über die Geschichte von Siglufjörður und Héðinsfjörður. Gaben die Aufzeichnungen Deines Großvaters Dir die Idee zu der Handlung oder hast Du sie dafür verwendet, das Leben und die Lebensbedingungen in der Vergangenheit in den Dörfern zu beschreiben.
Das neue Buch "Rof" ist dem Andenken an meine Großeltern Þ. Ragnar Jonasson und Gudrun Reykdal gewidmet, die in Siglufjörður gelebt haben. Ich habe gelesen, was mein Großvater über Héðinsfjörður in einer Reihe von Büchern über den Landstrich und seine Geschichte geschrieben hat und ich habe dies genutzt, um die Stimmung des Lebens an diesem abgelegenen Ort einzufangen. Ich konnte auch eine alte und wahre Geschichte aus dem Jahre 1859, die mein Großvater in einem seiner Bücher erzählt hat, in meinem Buch verwenden. Darin geht es um die Reise einer Frau, die in den Héðinsfjörður reiste, um Feuer für ihren Hof zu holen. Es war ein ziemlich schwieriger Weg und sie war schwanger und trug ihr kleines Kind in ihrem Kleid während der Reise. Die Handlung für den Kriminalroman entspringt jedoch nur aus meiner Imagination und basiert nicht auf realen Geschehnissen. Die Idee für die Handlung erhielt ich tatsächlich aus den isländischen Nachrichten aber ich möchte nicht weiter auf die Einzelheiten eingehen, da ich die Überraschung nicht verderben möchte. Literaturportal schwedenkrimi.de: Was bedeutet der Titel "Erosion"? Willst Du mit dem Buchtitel die Abwanderungen der Landbevölkerung ausdrücken? Ragnar Jonasson: Das isländische Wort "Rof" kann viele Bedeutungen annehmen. Erosion ist eine gute Übersetzung aber es ist schwierig, es geradewegs zu übersetzen. Dafür hat der Titel zu viele Anspielungen. Er kann sich, zum Beispiel auf die "Psychose" beziehen und die Verletzung des moralischen Kodexes, welche beide in die Handlung eingebaut sind. "Rof" kann sich ebenso auf die Helligkeit in einem ansonsten dunklen Himmel beziehen; auf die Tatsache, dass sogar düstere Ereignisse vielleicht positive Seiten haben können. Schließlich kann "Rof" auch Isolation bedeuten. Es dauerte beinahe ein Jahr, um einen passenden Titel für das Buch zu finden und am Ende war es schließlich meine Frau, die einen Abschluss in Psychologie hat, die "Rof" vorschlug. Literaturportal schwedenkrimi.de: Vielleicht eine dumme Frage aber wenn Du an einem Buch schreibst, träumst Du dann davon? Und wenn ja, fließen Deine Träume in das Buch mit ein? Ragnar Jonasson: Das ist eine gute Frage. Ich glaube nicht, dass ich jemals eine Handlung oder ein Ereignis auf einen Traum aufgebaut habe, jedoch, am Ende eines langen Tages, kurz bevor ich in den Schlaf falle, bekomme ich manchmal Ideen für das Buch, an dem ich schreibe. Für diesen Fall versuche ich immer, ein Notebook am Nachttisch zu haben, so dass die Idee am anderen Morgen nicht vergessen ist. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ich vermute, Du bist gerade mit Deinem neuen Kriminalroman auf Promotion-Tour durch Island. Lesungen und Pressarbeit. Davon abgesehen hast Du schon eine neue Idee für Deinen nächsten Roman oder schreibst Du eventuell schon daran? Ragnar Jonasson: Ja stimmt. Während der vergangenen paar Wochen habe ich Lesungen aus meinem Buch in Island gemacht. In Reykjavik und in den Nachbarstädten und auch in Nordisland. Es ist immer sehr angenehm für mich, Leser zu treffen und die Gelegenheit zu bekommen, Menschen etwas über mein Buch zu erzählen. Ich habe immer Ideen für weitere Bücher und ich habe damit begonnen, den Anfang eines neuen Kriminalromans zu schreiben - aber es ist gerade sehr schwierig, die Zeit zu finden, während dieser Zeit zu schreiben, in dem mein Schwerpunkt auf dem Buch liegt, das gerade veröffentlicht wurde. Literaturportal schwedenkrimi.de: Das Buch wurde ja im verlassenen Héðinsfjörður in Nordisland bei einer Freiluftlesung vorgestellt. Das war bestimmt eine bemerkenswerte Lesung? Ragnar Jonasson: Ja, es war fantastisch im Hédðnsfjörður im Oktober aus dem Buch zu lesen. Niemand lebte im Héðinsfjörður seit 1951 und der Fjord war vom Rest Islands bis 2010 komplett abgeschnitten, als ein Tunnel eröffnet wurde, der den Héðinsfjörður mit seinen Nachbarfjorden, einschließlich Siglufjörður verband. Dies war wahrscheinlich die erste öffentliche Lesung, die jemals in diesem verlassenen Fjord stattfand. Es war großartig zu sehen, wie viele Menschen sich eingefunden hatten, um der Lesung zuzuhören und wir hatten auch ein wunderbares Winterwetter, sehr ruhig, keinen Schnee oder Regen, und nur ein wenig zu kalt. Wie die Leser von "Schneebraut" vielleicht wissen, kann das Wetter in dieser Gegend im Winter sehr unberechenbar sein und seit Mitte Oktober hat es tatsächlich sehr viel Schnee und Schneestürme in der Gegend gegeben. Wir haben jedoch eine andere Naturkraft erfahren dürfen, denn während unseres Aufenthalts im Oktober in Siglufjórður, wurde das Dorf von den stärksten Erdbeben seit Jahren getroffen, das stärkste war 5,6 auf der Richter Skala (sogar eines der stärksten Erdbeben auf der Erde während dieser Woche). Das alte Holzhaus in Siglufjörður, in dem wir wohnten, wackelte bedenklich, doch glücklicherweise wurde niemand verletzt. Aber vielleicht werde ich die Geschichte eines Tages in einer meiner Geschichten verwenden... Literaturportal schwedenkrimi.de: Zurück zu "Schneebraut". Die Filmrechte wurden kürzlich von dem jungen isländischen Filmstar Thorvaldur Kristansson erworben. Bist Du in das Filmprojekt einbezogen, z.B. arbeitest Du am Drehbuch mit? Ragnar Jonasson: Das stimmt. Thorvaldur ist einer der größten aufstrebenden isländischen Filmstars, zurzeit arbeitet er in Island und Los Angeles und er ist daran interessiert, die Hauptfigur Ari Thor zu spielen. Er hat die Filmrechte erworben und verhandelt mit möglichen Co-Produzenten, so dass im Moment die Einzelheiten noch nicht klar sind - doch dies ist ein sehr spannendes Projekt und ich denke, dass Thorvaldur der perfekte Kandidat dafür ist, Ari Thor zu spielen und ich wäre natürlich glücklich, wenn es eine Gelegenheit geben würde, am Drehbuch mitzuarbeiten. Literaturportal schwedenkrimi.de: Meine letzte Frage. Warum schreibst Du Bücher? Was ist Deine Motivation Romane, Kriminalromane, zu schreiben? Ist Spaß am Schreiben der einzige Grund? Oder gibt es noch etwas anderes? Ragnar Jonasson: Das ist eine gute Frage. Ich hatte immer ein sehr großes Bedürfnis, etwas zu erschaffen und zu schreiben. Als ich jünger war, schrieb ich Kurzgeschichten und Gedichte. Dann fing ich an Geschichten und Bücher zu übersetzen und seit den letzten paar Jahren schreibe ich Bücher. Warum ich Kriminalromane ausgewählt habe? Ich denke, das ist einfach zu erklären, da ich ein großer Fan der klassischen und modernen Kriminalliteratur bin (von Agatha Christie bis zu P.D. James und Stieg Larsson, um nur ein paar zu nennen). Darum schreibe ich Kriminalromane - aber ich habe genauso Kurzgeschichten geschrieben, die keine Krimis sind (kürzlich für die Weihnachtsausgabe 2011 des deutschen Magazins "Maxi" mit dem Titel "Ein Augenblick am Meer"). Kriminalgeschichten geben Dir Gelegenheit, den Leser an einem Puzzle zu beteiligen, sowie für etwas Stellung zu beziehen, dass für Dich wichtig ist. Die kurze Antwort lautet: Ich denke ich schreibe, da es einen Teil von mir gibt, der mir sagt, dass ich schreiben muss - und ich genieße es wirklich. Literaturportal schwedenkrimi.de: Ragnar, vielen Dank für dieses Gespräch und schwedenkrimi.de wünscht Deiner Familie und Dir ein schönes und friedliches Weihnachten und ein Gutes Erfolgreiches Jahr 2013. Ragnar Jonasson: Schöne Weihnachten und ein Glückliches Neues Jahr auch für Dich und die Leser von schwedenkrimi.de! Das war ein sehr angenehmes Interview für mich. © Januar 2013 Literaturportal schwedenkrimi.de - Krimikultur Skandinavien |
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