Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
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Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
 
Rebecka Edgren Aldén - Die achte Todsünde
Hier können Sie Probelesen in einem Buch der Bestseller-Autorin Anne Holt.
Eine weitere Leseprobe der Autorin Anne Holt aus dem Buch "In kalter Absicht" finden Sie hier.
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Das achte Gebot
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Gebundene Ausgabe
448 Seiten (2001)
Piper Verlag
ISBN: 3492042503
Originaltitel:
"Doed Joker"
Übersetzung:
Gabriele Haefs
Kurzbeschreibung

"Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen wider deinen Nächsten" -- das achte Gebot eben, ein sich langsam, aber äußerst raffiniert entwickelnder Dreh- und Angelpunkt des Romans. Paukenschlag gleich auf der ersten Seite: ein ertrinkender Mann und die enthauptete Frau eines Oberstaatsanwalts, der als mutmaßlicher Täter in Untersuchungshaft kommt. Immer wieder aber beteuert er seine Unschuld, pocht darauf, den wahren Mörder zu kennen.

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Leseprobe

1

Die Gewißheit, daß er nur noch Sekunden zu leben hatte, ließ ihn endlich im Salzwasser die Augen schließen. Beim Sturz vom hohen Brückengewölbe hatte er zwar einen Moment der Furcht gehabt, doch der Aufprall auf den Fjord hatte nicht wehgetan.
Er nahm an, daß er sich beide Arme gebrochen hatte. Seine Hände leuchteten in dem fremden Winkel grauweiß. Wider Willen hatte er einige Schwimmzüge versucht, doch das hatte nichts gebracht. In der starken Strömung waren seine Arme unbrauchbar. Trotzdem spürte er keinen Schmerz. Eher war das Gegenteil der Fall. Das Wasser umschloß ihn mit einer Wärme, die ihn überraschte. Er fühlte sich in die Tiefe gezogen und verlor das Bewußtsein.
Der Anorak des Mannes umwogte seinen Leib, ein dunkler, schlaffer Ballon vor einem noch dunkleren Meer. Sein Kopf dümpelte wie eine Boje hin und her, und er hatte endlich aufgehört, Wasser zu treten.
Als letztes registrierte der Mann, daß er unter Wasser atmen konnte. Es war durchaus kein unangenehmes Gefühl.

2

Die Frau auf dem Boden war noch vor kurzer Zeit aschblond gewesen. Das war jetzt nicht mehr zu sehen. Ihr Kopf war von ihrem Körper getrennt worden, und ihre halblangen Haare klebten an den Hautfetzen ihres durchschnittenen Halses. Außerdem war ihr der Hinterkopf eingeschlagen worden. Die weit aufgerissenen toten Augen schienen Hanne Wilhelmsen überrascht anzustarren, so, als handele es sich bei der Hauptkommissarin um einen äußerst unerwarteten Gast.
Im Kamin brannte noch immer ein Feuer. Kleine Flammen leckten an einer rußgeschwärzten Rückplatte, und das spärliche Licht reichte nicht sehr weit. Da der Strom ausgefallen war und die nächtliche Dunkelheit sich wie eine neugierige Zuschauerin gegen die Fenster preßte, hatte Hanne Wilhelmsen das Bedürfnis, Holz nachzulegen. Statt dessen schaltete sie ihre Taschenlampe ein. Der Lichtstrahl wanderte über die Tote. Kopf und Rumpf der Frau waren zwar getrennt worden, doch sie ruhten so dicht beieinander, daß die Frau bei ihrer Enthauptung schon auf dem Boden gelegen haben mußte.
"Schade um das Eisbärfell", murmelte Kommissar Erik Henriksen.
Hanne Wilhelmsen ließ den Lichtkegel durch das Zimmer tanzen. Es war groß, quadratisch und mit Möbeln vollgestopft. Der Oberstaatsanwalt und seine Frau hatten offenbar Sinn für Antiquitäten. Ihr Sinn für Mäßigung war weniger gut entwickelt. Im Halbdunkel konnte Hanne Wilhelmsen mit Rosenmustern verzierte Holzgefäße aus Telemark neben weißen und blaßblauen Chinoiserien erkennen. Über dem Kamin hing eine Muskete. Aus dem 16. Jahrhundert, tippte die Hauptkommissarin und ertappte sich bei dem Wunsch, die schöne Waffe zu berühren.

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Über der Muskete hingen zwei leere, reichverzierte schmiedeeiserne Haken. Daran hatte offenbar das Samuraischwert gehangen. Jetzt lag es auf dem Boden, neben Doris Flo Halvorsrud, Mutter von drei Kindern, einer Frau, der es nicht mehr möglich war, ihren fünfundvierzigsten Geburtstag zu erleben. Dieses Ereignis lag noch gute drei Monate in der Zukunft. Hanne durchsuchte die Brieftasche, die sie aus einer Handtasche in der Diele gezogen hatte. Die Augen, die irgendwann einmal in einen Fotoautomaten geschaut hatten, wiesen denselben überraschten Ausdruck auf wie der tote Kopf neben dem Kamin. In einem Plastikfach steckte ein Foto der Kinder.
Hanne bekam eine Gänsehaut beim Anblick der drei Teenager, die von einem Ruderboot aus in die Kamera lachten, alle drei trugen rote Schwimmwesten, und der Älteste schwenkte eine Bierflasche. Die Kinder hatten Ähnlichkeit miteinander und mit ihrer Mutter. Der Biertrinker und seine Schwester hatten die gleichen blonden Haare wie Doris Flo Halvorsrud. Der jüngere Bruder hatte sich die Haare radikal kurz geschnitten, ein Skinhead mit Pickeln und Zahnklammer, dessen magere Jungenfinger über dem Kopf der Schwester das V-Zeichen formten. Es war ein Bild in starken Sommerfarben. Die orangen Schwimmwesten waren achtlos über braune Schultern gestreift worden, rote und blaue Badekleidung hing tropfend über den grünen Sitzbänken des Bootes. Das Foto zeigte Geschwister in einer Situation, wie sie selten erlebt wird. Es erzählte vom Leben, wie es fast niemals aussieht.
Hanne Wilhelmsen legte das Bild zurück und dachte, daß sie bisher keines der Kinder im Haus gesehen hatte. Zerstreut strich sie mit dem Finger über eine alte Narbe in ihrer Augenbraue, klappte die Brieftasche zu und schaute sich noch einmal im Zimmer um. Eine halboffene Küche aus Kirschbaumholz war offenbar in die Rückseite des Hauses eingelassen. Die nach Südwesten schauenden Fenster waren groß, und im Licht der Stadt konnte Hanne Wilhelmsen eine großzügige Terrasse erkennen. Dahinter lag der Oslofjord und spiegelte den Vollmond, der irgendwo über den Hügeln bei Bærum herumlungerte.
Oberstaatsanwalt Sigurd Halvorsrud hatte die Hände vor das Gesicht geschlagen und saß auf einem klobigen Holzstuhl. Hanne konnte in seinem tief ins Fleisch eingewachsenen Trauring an seiner rechten Hand den Widerschein des Kaminfeuers sehen. Halvorsruds blaues Polohemd war von Blutspritzern bedeckt. Seine schütteren Haare waren blutverschmiert. Seine graue Wollhose mit den schmalen Aufschlägen wies überall dunkle Flecken auf. Blut. Überall Blut. "Ich werde nie begreifen, wieviel vier Liter Blut wirklich ausmachen", murmelte Hanne und drehte sich zu Erik um.


Buchtipp
Camilla Läckberg - Die Eishexe: Kriminalroman (Ein Falck-Hedström-Krimi 10)

Der rothaarige Mann gab keine Antwort. Er schluckte und schluckte. "Himbeerbonbons", mahnte Hanne. "Denk an etwas Saures. Zitrone. Johannisbeere." "Ich habe nichts getan!"
Jetzt schluchzte Halvorsrud. Er ließ die Hände sinken, sein Kopf fiel in den Nacken. Der hochgewachsene Mann rang um Atem und erlitt einen heftigen Hustenanfall. Neben ihm stand eine Polizeianwärterin, die einen Overall trug. Weil sie nicht so recht wußte, wie man sich am Tatort eines Mordes verhält, hatte sie eine fast militärische Habachtstellung eingenommen. Zögernd und ohne sonderliche Wirkung klopfte sie auf den Rücken des Staatsanwalts. "Das Schreckliche ist, daß ich einfach nichts tun konnte", schluchzte er, als er endlich wieder in der Lage war zu atmen. "Er hat doch wirklich genug getan", sagte Erik Henriksen leise und spuckte Tabakreste aus, während er sich an einer noch nicht angezündeten Zigarette zu schaffen machte. Der Polizist hatte sich von der enthaupteten Frau abgewandt. Jetzt stand er vor dem Aussichtsfenster, hatte die Hände im Rücken verschränkt und wippte ein wenig hin und her. Hanne Wilhelmsen legte ihm die Hand zwischen die Schulterblätter. Ihr Kollege zitterte. Und das konnte unmöglich an der Temperatur liegen. Obwohl der Strom ausgefallen war, herrschten im Zimmer sicher mehr als zwanzig Grad. Beißend und harsch hing der Geruch von Blut und Urin zwischen den Wänden. Ohne die Leute von der Spurensicherung - die endlich nach einer unerträglichen Verspätung eingetroffen waren - hätte Hanne darauf bestanden, den Raum ordentlich zu lüften.
"Fehler, Henriksen", sagte sie statt dessen. "Es ist ein Fehler, Schlußfolgerungen zu ziehen, wenn du im Grunde gar nichts weißt." "Gar nichts?" fauchte Erik und bedachte sie mit einem Seitenblick. "Sieh ihn dir doch an, zum Teufel!" ...

Danke an den Piper Verlag für die Veröffentlichungserlaubnis.
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